Bending the Curve – Eine Einführung von Franziska Nori (Co-Kreation Kunst)

Bending the Curve – Wissen, Handeln [Für|Sorge für Biodiversität
Co-Kreation Kunst: Franziska Nori

WARUM CO-KREATIONEN?

Bending the Curve schließt sich an eine Reihe von Ausstellungen (Trees of Life – Erzählungen für einen beschädigten Planeten 2019/2020, Die Intelligenz der Pflanzen 2021/2022) an, in denen der Frankfurter Kunstverein mit internationalen naturwissenschaftlichen Forschungsinstituten und zeitgenössischen Künstler:innen zusammenarbeitet, um eine Vielzahl von Aspekten rund um die Frage der sozial-ökologischen Transformation und des sich verändernden Verhältnisses zwischen Mensch und Natur gezielt zu untersuchen.

Diese Ausstellung entsteht angesichts der Erkenntnis, dass die weltweite Artenvielfalt seit Jahrzehnten in alarmierendem Maße abnimmt. Um diesen Abwärtstrend aufzuhalten oder umzukehren, ist es wesentlich, zu wissen, was getan werden kann, noch wesentlicher ist es aber, ins aktive Handeln überzugehen. „Klimawandel bestimmt, wie wir leben, Artensterben bestimmt, ob wir in Zukunft überhaupt überleben“, so fasst Katrin Böhning-Gaese die Komplexität der Krisen prägnant zusammen. Bending the Curve entsteht in der Hoffnung und aus der Überzeugung, für einen noch möglichen Wandel öffentlich einzutreten.

Seit der Ausstellung Trees of Life, unserer ersten Kooperation mit der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung, sind Katrin Böhning-Gaese und ich fortwährend im Gespräch geblieben. Uns vereint eine tief empfundene Dringlichkeit, nicht darin nachzulassen, immer wieder Menschen dafür zu begeistern, sich für den Erhalt der Schönheit und Vielfalt von Leben auf diesem Planeten einzusetzen. Jede durch ihre Kompetenz und ihre Netzwerke. So haben wir uns entschlossen, diese Ausstellung gemeinsam anzugehen und diesen Weg mit zahlreichen Künstler:innen, Wissenschaftler:innen und Entwickler:innen transformativer Ansätze zu beschreiten.

Katrin Böhning-Gaeses Blick ist der einer profunden Kennerin der Zusammenhänge von Biodiversität. Nicht nur ihre Arbeit als Wissenschaftlerin, als Direktorin des Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrums und als Trägerin des Deutschen Umweltpreises 2021, sondern auch ihr Engagement als Expertin in politischen Beratungsgremien und internationalen Foren macht sie zu einer Fachfrau im Kampf um den Erhalt der Artenvielfalt.

Der Frankfurter Kunstverein versteht sich als kulturelles Forum in der Mitte der Gesellschaft, in dem Künstler:innen und Expert:innen aus verschiedenen Bereichen sich mit unterschiedlichen Akteur:innen aus der Zivilgesellschaft austauschen können, um mit den Mitteln der Kunst und des bildhaften Denkens einen öffentlichen Diskurs zu führen und politisches Handeln herauszufordern.

KUNST UND WISSENSCHAFT IN DER VERANTWORTUNG

Seit Jahren steht die kuratorische Arbeit des Frankfurter Kunstvereins für Ausstellungen, die die Visionen von Wissenschaft und Kunst gleichberechtigt würdigt. Es sind wesentliche gesellschaftliche Themen, die aus deren Perspektiven immer wieder eingehend untersucht und befragt werden.

Wissenschaft ist ein System, um kausale Zusammenhänge und Gesetzmäßigkeiten zu beobachten und zu kategorisieren. Sie ist methodisch und prozesshaft und unterliegt Regeln, um diese Erkenntnisse nachvollziehbar zu veranschaulichen. Wissenschaft kann Vergangenes analysieren, aber auch Prognosen entwickeln. Durch bestehende Evidenzen, Daten und Informationen erstellt sie Modelle. Bending the Curve ist das Resultat unzähliger Informationen, die Zukunftsszenarien aufspannen. Hier bringen Wissenschaftler:innen das vorhandene Wissen in den öffentlichen Diskurs ein, damit gesellschaftliches und politisches Handeln immer wieder anders und aktuell diskutiert und danach ausgerichtet werden kann.

Kunst erzeugt ebenfalls Wissen. Ein Wissen, das die Ebene der Information und Faktizität erweitert, und zwar um die Erfahrung eines Erfühlens. Kunst entwickelt so eine transformative Macht. Für jede:n Einzelne:n als Kontemplation und somit als privater Akt und, darüber hinaus, für Gemeinschaften als Symbol. Kunst kann die Wirklichkeit mit gänzlich unabhängigen Verfahren untersuchen und Realität unvertraut und anders darstellen. Sie schafft Bilder und Erzählungen, die die Welt der menschlichen Imagination subversiv verändern können.

Denker:innen und Wissenschaftler:innen wie Donna Haraway, Anna Lowenhaupt Tsing, Frédéric Lenoir, Stefano Mancuso, Andreas Weber und viele weitere vermitteln uns, dass diese Transformation nicht nur über den Intellekt, über das Wissen um makroökologische Aspekte oder Modellierungen allein, geschieht. Sie erzählen Geschichten von Individuen, von einzelnen Lebewesen, die sie beobachten und kennenlernen. Sie erzählen von Verbindungen zwischen den Arten und von Formen der Verständigung. Wer will, kann darin eine Art von Ode an die Liebe zu allem Lebendigen herauslesen sowie die Erkenntnis, dass das Leben so furchtbar fragil, so furchtbar vergänglich und so furchtbar einmalig ist. Nicht jedem Menschen gelingt es, empathisch auf Mitlebewesen zu schauen. Ich bin der Überzeugung, dass die Fähigkeit, sich einzufühlen und eine Achtung vor allem Lebenden zu empfinden, Teil der Transformation und ein sogenannter Deep Leverage Point ist. Es führt zu der Frage nach Ethik und Verantwortung, wenn wir über andere Lebewesen verfügen und ihr Recht auf Leben missachten. Und es führt zu der Frage nach Machtgefügen. Die Künste leisten hier bereits einen nicht unwesentlichen Beitrag für dieses Bewusstsein.

Das Werk wird zu Kunst, wenn die künstlerische Untersuchung mehr ist als eine objektive Feststellung und gleichzeitig auf mehr verweist als auf das subjektiv Erlebte.

Die Ausstellung Bending the Curve möchte nicht den Abgesang auf den Planeten anhand dystopischer Narrative perpetuieren, sondern im Gegenteil denjenigen Stimmen der Kunst und der Wissenschaft folgen, die konkrete Wege aufzeigen, welche Handlungsmöglichkeiten jede:r Einzelne, aber auch Unternehmen, politische Akteur:innen und die gesamte Gesellschaft umsetzen können, um eine Wiederherstellung von Ökosystemen und Biodiversität anzustreben.

KNOWING, ACTING, CARING FOR BIODIVERSITY

Zunächst einige Gedanken zum Untertitel der Ausstellung Bending the Curve, den wir im Laufe der zweijährigen Recherchen zu einer programmatischen Setzung gewählt haben: Wissen, Handeln, [Für]Sorge für Biodiversität (im Englischen Knowing, Acting, Caring for Biodiversity). Er wurde für die kuratorische Arbeit zu einem wesentlichen Prisma, das die zugrunde liegende Haltung und die Auswahl der Exponate bestimmt hat. Die Werke der eingeladenen Künstler:innen stehen für mehr als nur symbolhafte Verweise. Die Auswahl haben wir getroffen, um exemplarische Projekte und Initiativen vorzustellen, die sich einer sozial-ökologischen Transformation aktiv verschrieben haben.

Denn rund um den Planeten haben sich Menschen auf den Weg gemacht, Teil des Wandels zu werden. Die meisten Exponate in  sind in einer Haltung und mit der Idee der Co-Creation entstanden: mit anderen Menschen, aber auch mit nicht-menschlichen Lebewesen. Die eingeladenen Künstler:innen suchen nach Wegen, die Ausbeutung planetarer Materialien und Lebewesen zu überwinden. Sie kooperieren mit ihnen, kennen ihre Eigenschaften und Verhaltensweisen und treten mit ihnen in einen Austausch. Sie verfolgen veränderte, paradigmatische Sichtweisen, indem sie nicht-menschlichen Lebensformen eine „Agency“, also eine Handlungsmacht, zuschreiben und sie anerkennen. Somit beschreiten sie einen neuen Weg der Verortung des Menschen als Teil eines Ganzen, in dem Mitlebewesen hierarchielos(er) gesehen werden. Die Künstler:innen und Wissenschaftler:innen sind Teil einer Durchwurzelung dieses neuen und gleichzeitig alten Denksubstrats. Ihre Werke und Arbeitsmethoden weisen darauf hin, wie eine veränderte Handlung und Priorisierung von Werten aussehen und sich anfühlen kann. Sie sind Zeugnis von Wissen, von Handeln und einer tiefen (Für)Sorge für das Verlassen des menschlichen Anthropozentrismus hin zu dem Gedanken transformativer Naturecultures (D. Haraway, 2008).

Das kurzfristige Denken, das Denken in Regierungs- und Wahlperioden, in Wachstumsmaximierung und Jahresabschlüssen, in Ausbeutung von Gemeinschaften und Landschaften, ist stark unter Druck geraten. Es ist ein Kampf der Weltbilder im Gange, bei dem globale Gemeinschaften Forderungen nach einem gesellschaftlich und ökologisch gerechten und generationsübergreifenden Denken und Handeln erheben. Die Konsequenzen der Klimakrise und des Artensterbens werden alle gleichermaßen betreffen, Menschen, Tiere, Pflanzen und ganze Ökosysteme, auch jenseits jeder politischen oder kulturellen Verortung. Und hier sind wir alle, als Zivilgesellschaft und als menschliche Art, gefragt, in unserem unmittelbaren Umfeld in ein verändertes, bewussteres und verantwortungsvolleres Handeln zu kommen.

Werden wir dieses Ziel gemeinsam erreichen? Was bedeutet es, mit dem Vertrauten zu brechen und es aufzubrechen? Wie funktioniert Veränderung, wie sieht sie aus?

Was wir in den vielen Monaten der Recherchearbeit, der unzähligen Gespräche und Begegnungen mit Künstler:innen, Forscher:innen, Wissenschaftler:innen, New-Material-Designer:innen und Gesellschaftswissenschaftler:innen immer wieder erlebt haben, ist, dass eine grundlegende Transformation hin zu einem veränderten Handeln tatsächlich bereits im Gange ist. An unzähligen Orten entwickelt sich neues Wissen, entstehen Initiativen, Labore, Ateliers und Kooperativen sowie internationale Forschungsprojekte und Start-ups.

BENDING THE CURVE – WEITERE POSITIVE ANSÄTZE DER MACHBARKEIT

Der Titel der Ausstellung ist eine Würdigung des Konzepts „Bending the Curve of Biodiversity Loss“. Die Naturschutzbiologin Georgina Mace hat in ihrem gleichnamigen Text 2018 in „Nature Sustainability“ diesen Begriff geprägt. Auf dieser Arbeit aufbauend haben David Leclère und ein internationales Netzwerk von etwa 60 Wissenschaftler:innen und 46 Institutionen erste umfassende Modellierungen unterschiedlicher Zukunftsszenarien entwickelt. Wir konnten Leclère für die Zusammenarbeit gewinnen und somit einen weiteren Resonanzraum in der Kulturwelt für dieses zentrale Unterfangen öffnen. In seinem Textbeitrag stellt er die Arbeit und die Ziele der Bending the Curve-Initiative selbst vor.

Die vorgeschlagenen Handlungsoptionen der Bending the Curve-Initiative sind Stimmen aus den Naturwissenschaften und deren Aufruf zu einer Veränderung, die an die Zivilgesellschaft, Politik und Wirtschaft gerichtet ist. In den Gesellschaftswissenschaften findet international und disziplinübergreifend eine mit der sozial-ökologischen Transformation einhergehende Debatte über die Notwendigkeit eines great mindshifts mit unzähligen Positionen statt. Dabei geht es um Überzeugungen und Orientierungsmuster, die Gesellschaften und Individuen in der Welt verorten, und um eine daraus folgende veränderte Praxis. Publikationen wie Uwe Schneidewinds Die Große Transformation: Eine Einführung in die Kunst gesellschaftlichen Wandels (2018), Maja Göpels The Great Mindshift: How a New Economic Paradigm and Sustainability Transformations go Hand in Hand (2016), Paul Hawkens Regeneration: Ending the Climate Crisis in One Generation (2021) oder Karen O’Brians You matter more than you think: Quantum Social Change for a Thriving World (2021) sind nur einige, die bereits im Titel einen positiven Habitus der Machbarkeit aufzeigen.

SOZIAL-ÖKOLOGISCHE TRANSFORMATIONEN

Was in naturwissenschaftlichen und ökonomischen Kontexten oft außer Acht gelassen wird, ist, dass sozial-ökologische Transformationen nicht nur mit einer materiellen, sondern auch mit kulturellen Transformationen einhergehen müssen. Was immer mit der Forderung um einen verantwortlicheren Umgang mit natürlichen Ressourcen und Mitlebewesen mitverhandelt wird, sind mögliche Modelle des Wirtschaftens. Naomi Kleins Publikation Die Entscheidung: Kapitalismus vs. Klima von 2015 kann hier stellvertretend genannt werden. Die Suffizienz- und Postmaterialismus-Debatten schließen jedoch diejenigen aus, die nicht zu den wohlhabenden Klassen und Weltregionen zählen und dementsprechend nicht weiterhin verzichten können. Forderungen nach Wachstumsverzicht müssen mit einem solidarischen Blick gestellt werden und unterschiedliche Perspektiven einbeziehen.

Das hierarchische Gefälle, die Ausübung von Macht und somit der Nutzung, die Objektivierung entrechteter Wesen steht unter Druck. Es geht um ein neues Verhältnis, eher als Zusammenspiel, als Kooperation und Co-Existenz des Menschen mit anderen Menschen, aber auch mit nicht-menschlichen Lebewesen und zwischen verschiedenen Systemen. Machtverhältnisse, Klassenstrukturen, Verschiebungen in den überholten Hegemonien zwischen globalem Norden und Süden verlangen nach neuen Deutungen der Geschichte. Es herrscht das Ringen um Narrative, die die jeweilige Verortung einer Gesellschaft und deren geschichtliche Erfahrung abbilden. Es wird ein Wandel der Beziehungen gefordert. „Care“, „Healing“, „Reciprocity“ und „Repair“ sind nur einige Bezeichnungen für eine veränderte Haltung.

Der Wandel erwächst aus einer historischen Aufarbeitung und manifestiert sich als kollektive Forderung nach Fürsorge, nach Heilungsprozessen, nach Gleichberechtigung und Solidarität. Er betrifft Kulturen und Gemeinschaften, die in der Vergangenheit unter kolonialem Unrecht, gewaltsamen Konflikten, Kulturgutraub, Vertreibung und Unterdrückung gelitten haben. Und es betrifft die Ausbeutung von Landschaften, die für dort lebende Menschen Orte der Bedeutung und der kulturellen Identität waren.

VERÄNDERTE PERSPEKTIVEN UND WISSENSFORMEN

Wie geht das, mit dem Dualismus „Kultur vs. Natur“, mit der Aufklärung zu brechen und neue Wege des Seins in der Welt zu versuchen? Lässt sich altes und zum Teil verlorenes Wissen neu beleben? Kann man Ökonomie auch jenseits industrieller Nutzung und kapitalistischer Ausbeutung praktizieren? Das Versprechen liegt darin, das alte und das neue Wissen miteinander zu verbinden und es für die Spezifizität des jeweiligen Ortes und Kontextes angepasst anzuwenden – eine Form des Wissens, die sich aus der situativen Verankerung ergibt: situated knowledge (Donna Haraway). Diese Idee stellt die Vorstellung von Wissen als objektive, allgemeingültige und neutrale Wirklichkeit fundamental infrage. Wissen wird somit als eine dynamische Größe verstanden, nicht als absolute Wirklichkeit. Es entsteht über Individuen und Gruppen zu einem bestimmten historischen Moment, an einem bestimmten Ort, mit einer spezifischen Erfahrung.

Der Ökonom und Sozialwissenschaftler Enrique Leff definiert die Umweltkrise als eine Folge der Krise des westlichen Denkens. Um die Dominanz vorherrschender Wissensansichten aufzubrechen und einen Wissensdialog, eine Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Kulturen, zu fördern, ist interkulturelle Vermittlung notwendig. Diese umfasst nicht nur unterschiedliche Sprachen und Kulturen, sondern auch unterschiedliche Vorstellungen und Definitionen von menschlichen Gemeinschaften, Natur und der entsprechenden gegenseitigen Abhängigkeit.

Immer häufiger werden indigene, nicht-westliche Naturvorstellungen vermittelt, aktiv in Erinnerung gerufen oder erst wiedergefunden. Sie werden erkannt und erweitern naturwissenschaftliche Entwürfe in der Biodiversitätsforschung. Es existieren nicht nur zwei Grundtypen von Naturkonzepten (naturwissenschaftlich oder mythologisch), sondern eine heterogene Vielfalt. An diesem grundlegenden Wandel nehmen viele Künstler:innen, aber auch Wissenschaftler:innen teil. Robin Wall Kimmerer, Dr. Teresa Ryan, Dr. Max Liboiron, Elizabeth A. Povinelli mit dem Karrabing Film Collective – und dies sind nur einige Namen – stehen für veränderte Grundsätze, die in unterschiedlichen kulturellen Kontexten eine Rückbindung von lokalem Wissen mit den Naturwissenschaften praktizieren. Daten, Informationen und quantifizierendes Sachwissen werden zunehmend um die Ebene des Gefühls erweitert, um eine existenzielle Erfahrung der Verbundenheit einzubeziehen.

Auch in der Landwirtschaft finden wir Anwendungsbeispiele. Angesichts von Klimawandel, Bodenerosion und Wassermangel steht diese global vor enormen Herausforderungen. Neben nachhaltiger Bioökonomie sind auch zahlreiche Projekte entstanden, die traditionelle Methoden wie die Agroforstwirtschaft und Permakultur als gangbare Wege für zukunftsorientiertes Handeln einsetzen.

Wenn Wirklichkeit eine kulturelle Konstruktion ist, die auf einem gedachten Verhältnis zwischen einem Subjekt und seinem Gegenüber in der Welt basiert, so stehen wir gegenwärtig erneut vor der Herausforderung einer Neudefinition unseres Selbst.

Was wir derzeitig erleben, ist das Ringen um neue kollektive Narrative. Transformation kann auch als Chance begriffen werden. Sie kann gelingen, wenn wir alle etwas aufmerksamer, selbstloser und liebevoller werden. Voraussetzungen sind Kenntnis und Verantwortlichkeit. Mut, Leidenschaft und Imagination sind die notwendigen Fähigkeiten für das Gestalten der Zukunft in Anbetracht der aktuellen Lage. Aber auch Solidarität und Einfühlungsvermögen, Neugierde und Begegnung. Vielleicht vereint in der Idee der Fürsorge. Transformation kann aus der Sorge um die Folgen einer massiven Bedrohung erwachsen und dazu motivieren, Verantwortung zu übernehmen. Transformation hat das Potential, Sinn zu erzeugen und eine Verbundenheit mit Übergeordnetem (wieder)herzustellen.

Franziska Nori, Direktorin Frankfurter Kunstverein