Jerry Galle

The Thing That Isn’t, 2016
Elektronik, Software und Zeichnungen
Größe variabel
Courtesy of the artist

The Thing That Isn’t von Jerry Galle kombiniert ein Textverarbeitungssystem mit einem Zeichenroboter. Die Arbeit wird von zwei Computern gesteuert und verfügt über Elektronikkomponenten, die die Zeichenarme steuern. Zusätzlich sind gesprochene Sätze aus Lautsprechern zu hören. Das maschinelle System führt einen Programmcode aus, der die Zeichenhandlungen bestimmt. Das System überprüft die Aktion während seiner Ausführung, kommentiert sie und modifiziert dann gegebenenfalls die Handlung. Galle hat das lernende System mit Texten zur Künstliche Intelligenz, zu Interviewtechniken der CIA, aber auch mit Essays über Kunst und Pädagogik gefüttert. Algorithmen aus der Computerlinguistik (NLTK – Natural Language Toolkit) suchen darin eigenständig nach Bedeutung. Zuerst werden die Texte in kleinere Einheiten unterteilt, anhand gemeinsamer Merkmale klassifiziert, damit sie den von Galle vorgegebenen Themen wie Kunst, Sprache und Psychologie zugeordnet werden können. Anschließend wird der gesamte Text nach Verbindungen zwischen einzelnen Wörtern durchsucht, zum Beispiel Synonyme, ähnliche Wörterbucheinträge, etymologische Verbindungen, Häufigkeit der Worte. In der letzten Stufe wird ein Entscheidungshierarchie, eine baumähnliche grafische Repräsentation der Verbindungen und Korrelationen im Textkorpus generiert. Dieser Entscheidungsbaum liefert Vektoren, nach deren Anordnung der Zeichenkopf gesteuert wird. Mit den Begriffen, die aus den Texten und dem Entscheidungsbaum stammen werden Sätze generiert. Jeder Satz leitet die Handlung des Zeichenarms an und wird gleichzeitig vom Lautsprecher verkündet. So können die BesucherInnen den maschinellen Denk- und Entscheidungsvorgang miterleben.
In einem endlosen Prozess sucht The Thing That Isn‘t nach Korrelationen zwischen Wörtern und möglichen Bedeutungen. Dabei kommt es zu keiner endgültigen Interpretation, sondern zu vielen miteinander vernetzten Interpretationen. Einzelne Informationen werden extrahiert und wiederholt verändert. Führt der Übersetzungsprozess zu einem Informationsverlust, weil das Begriffsfeld sich erweitert oder wächst die Fähigkeit der Software komplex zu denken? Generell stellt sich die Frage nach den Fähigkeiten und Grenzen der algorithmischen Wahrnehmung.

Das Werk des belgischen Künstlers Jerry Galle (*1969) dreht sich um die Beziehung zwischen digitaler Technologie und zeitgenösssischer Kultur. Galle forscht aktuell als Postdoktorand an der KASK School of Arts University College in Gent (BE).