Paloma Polo

What is Thought in the Thought of People, 2015
Video
17 min
Courtesy die Künstlerin

Eine Geschichte für die Revolution

Die Inselgruppe der Philippinen, ein südostasiatisches Land mit mehr als 7.000 Inseln, das nach dem Monarchen Philipp II benannt ist, stand fast drei Jahrhunderte lang unter spanischer Herrschaft, von 1517 bis zum Ausbruch der von den USA unterstützten philippinischen Revolution. Nach dem Spanisch-Amerikanischen Krieg verlor Spanien seine letzten Kolonien: Kuba sowie die Philippinen, Guam und Puerto Rico, die 1898 in den Besitz der Vereinigten Staaten übergingen.

Paloma Polo ist eine profunde Kennerin der Philippinen, wo sie seit 2013 lebt. Nach einer ersten Untersuchung über die Landbesitzansprüche indigener Gemeinschaften beobachtete sie, wie Initiativen von sozialen Organisationen und marginalisierten Gemeinschaften gewaltsam unterdrückt wurden. Sie wurde persönlich mit der Realität eines Landes konfrontiert, das geprägt ist von der Auseinandersetzung zwischen der Regierung und der Neuen Volksarmee (NPA). Die NPA ist der bewaffnete Flügel der verbotenen Kommunistischen Partei der Philippinen, der im Untergrund agiert und dessen Ziel seit mehr als fünf Jahrzehnten – in den Worten der Künstlerin – „Emanzipation, soziale Gerechtigkeit, die Umsetzung neuer gesellschaftspolitischer, kultureller und landespolitischer Modelle“ ist. Das Ergebnis ihres Zusammenlebens mit diesen Guerilla-Einheiten ist der Film El Barro de la Revolución (Der Schlamm der Revolution), eine zweistündige filmische Erzählung, die ohne Interviews oder Erläuterungen dem Direct Cinema nähersteht als dem herkömmlichen Dokumentarfilm.

Auf der Grundlage dieses Wissens über das Land hat Polo mit sozial engagierten philippinischen Künstler:innen zusammengearbeitet, die wie sie über die Schwierigkeit nachdenken, wenn die Kunst sich in den Dienst der Politik im Umfeld der Revolution stellt. Aus diesem Anliegen heraus entstand der Film What is thought in the thought of people, eine hybride Erzählung aus Fiktion und dokumentarischem Material über die Geschichte der indigenen Gemeinschaften des Landes.

Der Film greift zwei Stränge auf, die angesichts der unterschiedlichen Sprachen unerwartet fliessend und natürlich ineinander übergehen: einerseits die von Polo mit Nüchternheit gefilmten Landschaften und andererseits die animierten Illustrationen von Leonilo Doloricon (Surigao del Sur, Philippinen 1957). Eine Stimme erzählt eine mündlich überlieferte einheimische Geschichte. Die Schlange steigt auf die Erde herab, als Allegorie. Sie reagiert auf mythische Realitäten, die mit dem Gebiet und den Zeiten verbunden sind und bis in die Gegenwart hineinwirken. Die ursprüngliche Geschichte stammt aus der Gegend von Casiguran in der nordphilippinischen Provinz Aurora, wo indigene Gemeinschaften, Migrant:innen und Fischer:innen durch die Pläne der Behörden zur Errichtung eines Freihafens gegen ihren Willen von ihrem Land und ihren Gewässern vertrieben wurden.

Doloricon, ein Künstler, der sich für die indigenen Gemeinschaften einsetzt und an die künstlerische Tradition des Sozialen Realismus in seinem Land anknüpft, arbeitet nach eigenen Worten mit „Symbolen, die aus der Lebenswelt der Menschen und ihrer heldenhaften Darstellung als entscheidende Kraft für den sozialen Wandel entspringen. Die Suche nach einer verständlichen Bildsprache ist dann wichtig, wenn es darum geht, in die Öffentlichkeit hineinzuwirken oder sie für Themen zu sensibilisieren, die die Menschen mobilisieren und die Durchsetzung ihrer Rechte gegenüber unterdrückenden Mächten fördern können.“ Das Werk entsteht als Zusammenarbeit zwischen zwei Künstler:innen, die eine Erzählung des Widerstands und des Respekts und somit ein revolutionäres Narrativ schaffen wollen.

 

Paloma Polo (*1983, Madrid, ES) ist Künstlerin und unabhängige Forscherin und lebt in Utrecht (NL). Zwischen 2007 und 2009 nahm sie an den Residency Programmen am De Ateliers in Amsterdam (NL) und 2010 am Gasworks in London (UK) teil. Im Jahr 2013 war sie Gastwissenschaftlerin am Center for International Studies, University of the Philippines Diliman, Manila (PH). Ihre späteren Forschungsarbeiten wurden von Les Laboratoires D’Aubervilliers in Paris (FR) unterstützt. Sie hat ihre Arbeiten unter anderem im Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofía, Madrid (ES), CA2M Centro de Arte Dos de Mayo, Madrid (ES), Arts Catalyst, London (UK), Kurimanzutto Gallery, Mexiko-Stadt (MX), Casa Barragan Mexiko-Stadt (MX), Frieze Art Fair, London (UK), Montehermoso Cultural Centre, Vitoria (ES) und SKOR Foundation for Art and Public Domain, Amsterdam (NL) ausgestellt. Ihre Arbeiten wurden auf der Internationalen Ausstellung der 55. Biennale von Venedig (IT), Turner Contemporary, Kent (UK), Museo de Arte Carrillo Gil, Mexiko-Stadt (MX), High Line Art, New York City (US), Le Commun Bâtiment d’art Contemporain, Genf (UK), Stedelijk Museum, ’s-Hertogenbosch (NL), Celje Regional Museum, Celje (SI), oder CGAC Centro Gallego de Arte Contemporáneo, Santiago de Compostela (ES) präsentiert. Im Jahr 2018 wurde Polo mit dem Ojo Crítico-Preis des Nationalen Spanischen Rundfunks RNE in Anerkennung ihres künstlerischen Werdegangs ausgezeichnet. Sie war unter anderem Preisträgerin des IV. Internationalen Preises für junge Kunst der Stiftung Maria José Jove, A Coruña (ES) oder des Ersten Preises beim Wettbewerb INJUVE, Madrid (ES).